ich kam kurz vor den 80ern in der schweiz zur welt. das bedeutet einerseits, dass ich in einem Land aufgewachsen bin und lebe, in welchem ich dinge wie sicherheit, gesundheitsversorgung oder bildung auf hohem niveau erfahre, trotz kaum vermögen. ich konnte eine kindheit und jugend ohne smartphone und mit einem internet, das selbst noch in den kinderschuhen steckte, erleben, und auch nicht ganz unwichtig ist, dass 9/11 zu einem zeitpunkt stattfand, in welchem ich alt genug war, um zu begreifen, dass eine zäsur stattfand und jung genug um das, was tv und zeitungen mir vorsetzten, nicht einfach als gegeben zu betrachten, sondern kritisch zu sein und meinen eigenen verstand zu benutzen.
und darum denk ich halt. und ich sehe, wie unsere Gesellschaft mit grossen schritten und wenig widerstand in eine utopische zukunft schreitet. eine zukunft, in welcher überwacht wird, was ich sage, wo ich mich aufhalte, wofür ich geld erhalte und ausgebe und womit ich mich beschäftige. einer gesellschaft, die vorgibt, was ich sagen darf, wo ich mich aufhalten darf, wofür ich geld erhalten und ausgeben darf und womit ich mich beschäftigen darf. solche aussagen werden heute aber gerne schon in den bereich von verschwärungstheorien geschpben, als fakenews und mis- bzw. Desinformation gebrandmarkt.
man denkt halt, dass…
die anerkannte haltung in den westlichen gesellschaften ist in etwa die, dass wissenschaft fast alles weiss und frei und unabhängig ist. die politik ist von ein paar lobbyisten gestört, aber im grossen und ganzen funktioniert sie. die regierung ist im grundsatz dem wohl des landes und des volkes verpflichtet. bildung vermittelt gesichertes wissen und medien sind der wahrheit verpflichtet, wenn auch ab und zu etwas aufgebauscht wird.
verschwörungstheoretiker hingegen sind alle etwa gleich, streuen fakenews und haben keine belege für ihre aussagen. sie können die welt und das weltgeschehen nicht einfach hinnehmen und suchen daher hintergründe und zusammenhänge, wo doch einfach nur zufall oder der natürliche lauf der dinge walten. sachlichen argumenten verschlissen sie sich und darum soll man sich nicht auf diskussionen einlassen. und überhaupt, wenn was dran wär, was die behaupten, hätten medien und wissenschaft das schon lange untersucht und das wäre bekannt und die aktuelle wahrheit korrigiert. im gegenteil prüfen faktenchecker immer wieder die wilden theorien und „debunken“ sie.
aktuell denken wir viel zu wenig
diese haltung gegenüber verschwörungstheorien und -theoretikern ist zuweilen fast schon paranoid, hilft optimal, verschwörungen möglichst lange unentdeckt zu lassen und ich denke, sie ist auf eine verschwörung zurückführen ;-).
aber ernsthaft: die gesellschaft driftet seit der corona-pandemie markant stärker auseinander. zwei grosse lager sind schematisch einerseits vollidioten, die tatsächlich viele fakenews produzieren oder ohne auch nur kurz nachzudenken, ob das sein kann, weiterstreuen. auf der anderen seite stehen ignoranten, die reflexartig blocken und das eigene denken durch abwehr ersetzen, sobald sie mit informationen konfrontiert werden, von denen sie das Gefühl haben oder zu denen ihnen gesagt wurde, das seien verschwörungen oder fakenews.
dieser denkhalt richtet sich an beide lager, aber auch an jene, die sich nicht als ignorante vollidioten identifizieren mögen. denn wenn wir die vollidioten nicht in den griff bekommen, werden wir uns mit zunehmener zensur, mit weiterem verlust von privatsphäre und dem zwang digitaler identifikation konfrontiert sehen. und Wenn die ignoranten nicht bald beginnen, gegenüber fakenews gelassener zu reagieren, selbst zu denken statt vermeintliches wissen zu repetieren und kritisch zu hinterfragen, woher und warum diese fakenews kommen könnten, wem die beabsichtigte reaktion der politik nützt und wohin diese führt, wird es zunehmend zu einschänkungen der meinungsäusserungsfreiheit kommen und man wird uns zwingen, eingriffe in unsere Privatsphäre zu akzeptieren. natürlich nur, um gegen fakenews angehen zu können.
redefreiheit – mühsam aber unverzichtbar
ist dieses szenario auch schon eine verschwörung? blockst du schon? es ist für manche menschen jetzt schon realität. england und australien bspw. haben bereits gesetze erlassen, die eine strafverfolgung wegen aussagen im internet ermöglichen. und dabei geht es nicht um aussagen, die zu hass oder gewalt aufrufen. in australien gehört kritik an der regierung dazu, ehrlich (quellenangaben sind am ende der seite zu finden). in deutschland fand vor kurzem die jährliche hatz gegen jeden dummen fratz (oder so) statt und es wurden hausdurchsuchungen bei personen, die unpässliche posts verfasst haben, durchgeführt. mit beschlagnahmungen elektronischer geräte. die jüngste person war 14 jahre alt. man hat die personen nicht einfach vorgeladen, verhört und deftige bussen verpasst. hausdurchsuchungen! nicht wegen dem verdacht, dass diese personen z.b. mitglieder einer terroristischen halborganisation sind und etwas schlimmes planen. wegen aussagen, die möglicherweise dumm, unangemessen, verletzend, falsch waren. aber dennoch einfach nur aussagen!
mir macht das angst! und es macht mich wütend. auch wenn es auf deutsch meinungsäusserungsfreiheit heisst und die ganz schlauen ignoranten behaupten, zwischen meinung und nicht-meinung unterscheiden zu können, heisst das ding eigentlich „freedom of speech“, redefreiheit! und diese muss, davon bin ich überzeugt, unangetastet bleiben. mit allen möglichen und tatsächlichen negativen folgen. weil die negativen folgen der einschränkungen unvergleichbar viel schlimmer sind. ohne redefreiheit gibt es keine persönliche freiheit. redefreiheit ist ein grundlegender aspekt persönliche freiheit.
freiheit des einen muss auch andere schaden können
die freiheit des einen gehe soweit, wie sie niemand anderem schadet. hört man immer wieder und klingt im ersten moment vernünftig. was dann aber ausgeblendet wird: sie darf niemanden konkret und tatsächlich schaden. tut ich das bei der ausübung meiner freiheit, dann habe ich irgend eine andere norm verletzt und es ist sache des rechtsstaates, in einem vorgegebenen verfahren im konkreten fall abzuwägen, ob meine freiheit oder der schaden des anderen wichtiger ist.
wird meine redefreiheit aber eingeschränkt, um mögliche, abstrakte schädigungen zu verhindern, sind wir in einem derart schwammigen bereich, dass man nicht mehr von recht und rechtsstaat sprechen kann. in der corona-pandemie wurde irgendwann behauptet, es sei schon immer so gewesen, dass die freiheit des einen da ende, wo die freiheit der anderen beeinträchtigt wird und dann – folgefalsch – das wohl der gesellschaft bzw. die abstrakte gefährdung der öffentlichen gesundheit über individuelle rechte bzw. konkrete einschränkungen des Individuums gestellt. nun, es war nicht schon immer, aber es das war tatsächlich schon mal so, in jeder diktatur, in jedem tyrannenregime, im kommunismus. aber nie in einer freien, rechtstaatlichen gesellschaft.
freiheiten schützen, nicht schäden verhindern
der satz, wie weit die freiheit geht, heisst eigentlich, und dass wissen auch medien und politik: meine freiheit geht soweit, wie sie deine freiheit nicht einschränkt. die grenze ist nicht ein abstrakter schaden, sondern der schutz der freiheit eines anderen. mit einer einschränkung der redefreiheit wird aber keine andere freiheit geschützt.